Farben, Ursprünge, Magnetisierungen

Wenn Farben auf uns wirken, bleibt immer Unerklärbares zurück. Das leuchtende Weiss einer getünchten Wand, das gemaserte Schwarz eines unbearbeiteten Schiefers oder das sanfte Rotbraun gebrannten Tons lösen Empfindungen aus, die ebenso intensiv sind, wie sie sich einer vollständigen Beschreibung entziehen.

Bei seiner Arbeit hat der Schweizer Künstler Urs A. Furrer schon vor Jahren bemerkt, dass er Wirkungen, die er anstrebte, mit synthetisch hergestellten Farben nicht erzielen konnte. «Der Gedanke drängte sich auf, natürliche Pigmente zu verwenden. Bald bemerkte ich, dass ich in der ungeheuren Zahl von Möglichkeiten eine Wahl treffen musste. Ich beschloss, mich in erster Linie auf anorganische Materialien zu konzentrieren.»

Der Reichtum der Pigmente ist unerschöpflich. Jedes von ihnen ist ein Individuum mit einer eigenen Geschichte und einem eigenen Leben.

Aus den Wunderkammern der Natur

Aus ersten Versuchen mit verschiedenen Formen von Asche ist innerhalb von fast zwanzig Jahren eine systematisch angelegte Bibliothek von Gesteinspigmenten geworden. Über 250 verschiedene Töne sind bereits vorhanden, viele weitere werden dazu kommen. Benannt werden sie vor allem nach den Schweizer Alpengegenden, in denen Urs A. Furrer seine Materialien gesammelt und hernach zerrieben hat. Die Varianten reichen vom Monbielrosa, dem Flixrot und dem Mendrisiottorot über das Puschlavgelb, das Durannabraun und das Marmoreragrün bis zum Starschagnosoliv, dem Taschpegnweiss und unzähligen weiteren Farbnuancen. Die Bindemittel sind so naturnah wie die Pigmente selbst. Für Aquarellfarben verwendet Urs A. Furrer zum Beispiel Gummiarabikum, Honig und Glycerin, für Tempera Ei, Dammarfirnis und Wasser.

Die Wissenschaft leistet wertvolle Hilfe. Urs A. Furrer arbeitet eng mit Geologen zusammen, besonders mit der Schweizerischen Geotechnischen Kommission (SGTK) und ihrem Leiter Dr. Rainer Kündig. Er freut sich, wenn ihm seine Freunde Aufnahmen aus ihren Laboratorien senden: Unter dem Polarisationsmikroskop wird die Farbenpracht der Kalzitkristalle sichtbar und eine Röntgendiffraktion bringt das Gittermuster des Quarzes zum Vorschein.

Auch in seinem Haus in Dalvazza in der Prättigauer Gemeinde Luzein oberhalb von Küblis nutzt der Künstler die Möglichkeiten der modernen Technik. Shredder mit speziell gehärteten Teilen tragen das Ihrige bei und liefern Pigmentmehle in jeder gewünschten Feinheit.

Geheimnisvolle Wirkungen

Der gemahlene Stein bildet eine Basis für Künstlerfarben, Schminke oder für Anstriche von Fassaden und Innenräumen. Die anfängliche Frische bleibt immer erhalten, mineralische Pigmente bleichen nicht aus.

«Die Gesteinsfarben berühren uns unmittelbar. Es stellen sich Schwingungen ein, die mit Worten schwer zu fassen sind», schildert Urs A. Furrer die Welt seiner Pigmente. «Verborgene Zusammenhänge treten zu Tage, wir nähern uns an Ursprünge der Natur an. Eine fast magnetische Anziehung wird spürbar. Das Material spricht zu uns, es beginnt ein Dialog mit ihm, Harmonie und Inspiration stellen sich ein.»

Mit jedem Schritt in der Arbeit Urs A. Furrers öffnen sich weitere Dimensionen. Sie gipfeln in einem grossen Traum: alle wichtigen Gesteine der ganzen Schweiz als gemahlene Pigmente vorlegen zu können. Der Künstler weiss, dass seine Arbeit niemals völlig abgeschlossen sein wird: «Der Reichtum der Pigmente ist unerschöpflich. Jedes von ihnen ist ein Individuum mit einer eigenen Geschichte und einem eigenen Leben.»